Das Karbonatsystem
Die Löslichkeit des Kohlendioxids im Wasser liegt etwa 50 mal höher als für Sauerstoff. Dagegen ist die Diffusionsgeschwindigkeit des Kohlendioxids im Wasser 10000 mal geringer als in Luft. Im Wasser gehen ungefähr 0,2% des gelösten Kohlendioxids in Kohlensäure (H2C03) über. Bei Zufuhr von CO2 steigt also auch die Kohlensäuremenge, der pH-Wert sinkt; entsprechend steigt der pH-Wert bei Entzug von CO2. Die Kohlensäure dissoziiert (zerfällt) mäßig in zwei Stufen:
1. Stufe: H+ + HCO3
2. Stufe: H+ + CO32-)
Bei den für das Aquarium wichtigen Salzen der Kohlensäure kann man sich auf das Kalziumhydrogenkarbonat [Ca(HCO3)2] und das KaIziumcarbonat (CaCO3) beschränken. Das Kalziumhydrogenkarbonat ist gut in Wasser löslich und bedingt die zeitweise vorhandene Härte des Wassers (Karbonathärte). Diese Härte verschwindet beim Kochen des Wassers.
Demgegenüber ist das Kalziumkarbonat praktisch wasserunlöslich und fällt größtenteils aus (z. B. als Kesselstein). Das Kalziumhydrogenkarbonat bleibt im Aquariumwasser aber nur beständig, wenn eine bestimmte, mit der Konzentration stark anwachsende Menge an Kohlendioxid in Lösung ist. Diese CO2-Menge wird daher als Gleichgewichts-CO2 bezeichnet. Wird sie unterschritten, zerfällt ein Teil des Kalziumhydrogenkarbonats zum kaum löslichen Karbonat.
Formelmäßig kann man folgendes Gleichgewicht ausdrücken:
CO2-Defizit Ca (HCO3)2 <------------> CaCO3 + CO2 + H2O CO2-Uberschuß
Unter Gleichgewichtsbedingungen besteht eine Beziehung zwischen dem Gehalt an Kohlendioxid, dem pH-Wert und dem Gehalt an Hydrogenkarbonat. Es kommt zum Ausdruck, dass die verschiedenen Bindungsformen des Kohlendioxids (CO2+H2CO3, HCO3-, CO22-) eine charakteristische, vom pH-Wert abhängige Verteilung zeigen.
1. In saurem Wasser (pH unter 6) liegt praktisch alles CO2 gelöst vor, die Karbonate sind bedeutungslos (Beispiel: Kalkarmut von torfhaltigem Aquarienwasser).
2. Im neutralen und schwach alkalischen Bereich (pH 7-8) ist fast alles CO2 als Hydrogenkarbonat gebunden (Beispiel: normales Aquariumwasser).
3. Im stark alkalischen Bereich (pH über 10) ist der überwiegende Teil des CO2 als Karbonat vorhanden. Gelöstes CO2 kommt oberhalb von pH 9 praktisch nicht mehr vor (Beispiel: Natronwasser, in dem einige Cichliden leben können).
Das Karbonatsystem im Wasser ist, als das Gemisch einer schwachen Säure (Kohlensäure) mit ihren Salzen, ein typischer Puffer im chemischen Sinne. Puffer haben die Eigenschaft, mäßige Zugaben von Säuren oder Basen (Laugen) so aufzufangen, dass sich der pH-Wert kaum ändert. Gibt man eine Säure zu einem Puffer, so werden zunächst die H+-Ionen vom Hydrogenkarbonat gebunden. Es entsteht Kohlensäure, die aber zum größten Teil in Kohlendioxid und Wasser zerfällt.
Der verbleibende Rest der Kohlensäure dissoziiert sehr schwach, so dass sich die H+-Ionen-Konzentration nur geringfügig erhöht. Der pH-Wert bleibt annähernd konstant. Gibt man eine Base zu einem Puffer, so werden die OH--Ionen sofort vom CO2 gebunden. Es bildet sich Hydrogenkarbonat. Der Verlust an Kohlendioxid wirkt sich nur geringfügig auf den Gehalt an Kohlensäure (= H+-Ionen-Konzentration) aus. Der pH-Wert steigt nur schwach an.
Die Pufferung des Aquariumwassers ist um den Neutralpunkt (pH 7) herum optimal. Sie versagt bei der Zugabe von Säuren im sauren Bereich, da unter pH 6 kein Hydrogenkarbonat mehr vorhanden ist. Sie versagt ebenso bei der Zugabe von Laugen im stark alkalischen Bereich, da oberhalb von pH 10 kein Kohlendioxid mehr im Wasser vorkommt. Die Güte der Pufferung hängt also vom Kalkgehalt des Wassers ab: Hartes Wasser ist viel besser gepuffert als weiches, torfhaltiges Wasser. Je mehr Hydrogenkarbonat im Aquariumwasser enthalten ist, desto mehr freie H+-Ionen können abgefangen werden. Diese Eigenschaft des Hydrogenkarbonats wird als Säure-Bindungsvermögen (SBV) bezeichnet.
Wie weiter oben schon angedeutet, besteht zwischen dem Karbonatsystem bzw. zwischen der Karbonathärte und dem pH-Wert ein enges Wechselspiel. Je höher die Karbonathärte ist, desto höher ist der pH-Wert, doch gleichzeitig wird der pH-Wert auch besser gepuffert (stabilisiert). Für die meisten Aquarien ist eine Karbonathärte zwischen 2° und 8° empfehlenswert.